Normalerweise schützt ein kompliziertes Sicherheitssystem den Körper nicht nur gegen Viren und Bakterien sondern auch gegen Pilze. Im Rahmen der angeborenen Immunantwort werden die unterschiedlichsten Pilzarten von Makrophagen, dendritischen Zellen und neutrophilen Granulozyten fast immer schnell identifiziert, attackiert und binnen weniger Stunden beseitigt.
Pilze tragen auf ihrer Zellwand bestimmte Strukturmerkmale, die die Immunzellen mithilfe spezieller Rezeptorproteine als körperfremd erkennen. Diese Interaktion setzt eine Signalkaskade in Gang, die die Immunzellen zur Produktion von Zytokinen und anderen Abwehrstoffen anregt.
Signalweg reguliert Pilzabwehr
Vor etwas mehr als zehn Jahren konnten Forscher um Jürgen Ruland, Direktor des Instituts für klinische Chemie und Pathobiochemie der Technischen Universität München, zum ersten Mal eine dieser für die Pilzbekämpfung wichtigen Signalkaskaden genauer charakterisieren. Dabei identifizierten sie das Protein Card9 als zentralen Bestandteil der Pilzabwehr. So leiden Menschen ohne funktionsfähiges Card9 massiv an Pilzinfektionen. „Nur wenn dieses Protein im Körper vorkommt, kann eine Immunreaktion ausgelöst werden, die dafür sorgt, dass die Pilzzellen zerstört werden“, sagt Ruland.
Auf welche Weise die Rezeptorproteine jedoch Card9 nach der Pilzerkennung aktivieren, blieb ungeklärt. Nun haben Ruland und sein Team weitere Mitspieler der Signalkaskade gefunden. Wie die Forscher in einem Artikel im Fachmagazin Cell Reports berichten, müssen die sogenannten Vav-Proteine aktiv werden, bevor Card9 seine Funktion überhaupt ausüben kann. Im menschlichen Körper kommen drei dieser Proteine vor – Vav1, Vav2 und Vav3. Sie sind an vielen zellulären Prozessen beteiligt, bei denen die Weiterleitung von Signalen eine wichtige Rolle spielt.
Genveränderte Mäuse sind anfälliger für Pilzinfektionen
Rulands Team kam den Vav-Proteinen auf die Spur, als es Immunzellen aus der Maus mit Pilzbestandteilen vermischte und anschließend mithilfe biochemischer Methoden alle Proteine isolierte, die von den für die Pilzerkennung zuständigen Rezeptorproteine direkt aktiviert wurden. Anschließend untersuchten die Forscher bei Mäusen, wie diese auf eine Infektion mit dem bei Menschen häufig vorkommenden Hefepilz Candida albicans reagieren.
Für ihre Experimente verwendeten Ruland und seine Mitarbeiter gentechnisch veränderte Tiere, die jeweils eines oder mehrere der Vav-Proteine nicht mehr produzieren konnten. Nachdem die Forscher die Tiere mit dem Hefepilz infiziert hatten, zeigte sich, dass die genveränderten Mäuse weniger Abwehrstoffe als normale Mäuse herstellten und sich in ihren Nieren die Erreger angesiedelt hatten.
Die Veränderungen waren umso ausgeprägter je mehr der einzelnen Vav-Proteine ausgefallen waren. „Wenn man Vav1 oder Vav2 ausschaltet, können die anderen beiden diesen Ausfall kompensieren. Fällt Vav3 aus, gelingt das nicht ganz so gut“, erklärt Ruland. „Funktioniert jedoch keines der drei Proteine mehr, dann ist die Abwehrschwäche massiv und die Tiere sterben nach wenigen Tagen, wenn sie sich mit einem Pilz infizieren.“ Wie die Vav-Proteine mit Card9 im Detail interagieren, konnten er und seine Mitarbeiter allerdings in dieser Studie nicht klären.
Dass die Vav-Proteine für die angeborene Immunantwort gegen Pilzinfektionen auch bei Menschen wichtig sind, konnte Rulands Team in Kooperation mit Mihai Netea von der Radboud Universität in Nimwegen anhand von Patientendaten zeigen: Bei 227 Menschen, die an einer Infektion mit Candida-Hefepilzen erkrankt waren, war im Vergleich zu 176 nichterkrankten Menschen eine bestimmte Genvariante überproportional häufig vertreten. Diese sorgt dafür, dass Vav3 in einer leicht veränderten Form auftritt. „Auch bei Menschen scheint Vav3 wichtiger für die Pilzabwehr zu sein als die beiden anderen Mitglieder der Vav-Proteinfamilie“, sagt Ruland.
Prophylaktische Behandlung bestimmter Patienten
Er kann sich vorstellen, dass das Wissen über solche Varianten die Diagnostik von Risikopatienten verbessern könnte: „Immungeschwächte Patienten, die solche Veränderungen tragen, könnten engmaschiger beobachtet werden oder in bestimmten Situationen prophylaktisch antifungale Medikamente erhalten, um Pilzinfektionen zu verhindern.“
Als nächsten Schritt möchte Ruland noch genauer die Mechanismen des Card9-abhängigen Signalwegs und anderer ähnlicher Signalwege erforschen: „Viele Hinweise deuten darauf hin, dass diese Signalwege nicht nur für die normale Abwehr wichtig sind, sondern auch bei entzündlichen Erkrankungen überaktiv sind und auch bei einigen Tumorarten.“
Andere Experten halten die neue Studie für einen erheblichen Fortschritt: „Dank der neuen Ergebnisse verstehen wir noch besser, wie das Immunsystem auf Pilzinfektionen reagiert“, sagt Oliver Kurzai, Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen am Leibniz-Institut in Jena. „Es ist eine große Stärke der Studie, dass Ruland und sein Team nicht nur im Mausmodell sondern auch bei Patienten zeigen konnten, dass die Vav-Proteinen einen Einfluss auf die Pilzabwehr haben.“
Angriffspunkt für zielgerichtete Medikamente?
Kurzai findet ebenfalls, dass es sinnvoll ist, bestimmte Patientengruppen auf das Vorliegen von Vav-Varianten zu untersuchen, um sie gegebenenfalls vorbeugend zu behandeln. Seiner Ansicht nach eröffnen die neuen Erkenntnisse auch Möglichkeiten, um Substanzen zu entwickeln, mit deren Hilfe man eines Tages in diese Signalwege eingreifen und die Immunabwehr verstärken kann. „Pilze sind wichtige Sepsis-Erreger und verursachen viele Todesfälle. Neben einer besseren Diagnostik könnten auch zielgerichtete Medikamente dabei helfen, diese zu vermeiden“, so Kurzai.
Quelle:
Vav Proteins Are Key Regulators of Card9 Signaling for Innate Antifungal Immunity.