15.000 Stellen in Gefahr
© ZEIT online, dpa 26.6.2008 - 07:06 Uhr
Schlagworte: Siemens
Der von der Konzernspitze angekündigte Stellenabbau bei Siemens wird Medienberichten zufolge härter ausfallen als von Arbeitnehmervertretern zunächst befürchtet. Betroffen ist auch das Management
Der geplante Stellenabbau beim Elektrokonzern Siemens tritt nach den Worten von Konzernchef Peter Löscher vor allem das Management. «Es kann nicht sein, dass wir nur bei den Arbeitern Opfer einfordern. Es geht uns jetzt um die Lehmschicht - vor allem das obere und das mittlere Management», sagte Löscher der «Süddeutschen Zeitung» (Donnerstag). Laut «Handelsblatt» und «SZ» stehen angesichts der geplanten Milliarden-Einsparungen in Vertrieb und Verwaltung bis zu 15 000 Jobs auf der Kippe. Weder beim Unternehmen noch bei der Gewerkschaft wurde die Zahl am Donnerstag bestätigt. Am Vortag hatte ein Siemens-Sprecher erklärt, man werde sich «sehr bald» zu diesem Thema äußern. In dem Konzern arbeiten weltweit rund 435 000 Beschäftigte.
In der Geschäftseinheit Electronics Assembly Systems baut Siemens unterdessen weltweit 330 Jobs ab, davon 250 in Deutschland. Mit den Maßnahmen solle dieser Teil des Automationsgeschäftes von Siemens flexibler und schlagkräftiger aufgestellt werden, teilte das Unternehmen mit. Die Einschnitte hätten nichts mit den Kostensenkungen in Vertrieb und Verwaltung zu tun, sagte ein Siemens- Sprecher. Der Konzern will die Geschäftseinheit mit insgesamt rund 2000 Beschäftigten bis Ende des laufenden Geschäftsjahres (30. September) in eine Tochtergesellschaft ausgliedern. Die Restrukturierung will Siemens dabei wie bei der zum Verkauf stehenden Festnetzsparte SEN selbst angehen. In der Sparte werden Bestückungsautomaten für Elektronikkomponenten und Leiterplatten hergestellt.
Zur Umsetzung der Pläne sollten Gespräche mit Arbeitnehmervertretern aufgenommen werden. Von dem Abbau in Deutschland wird Konzernkreisen zufolge vor allem der Standort München betroffen sein. Zuvor seien bereits 150 Stellen in der Geschäftseinheit «sozialverträglich» abgebaut worden, hieß es.
Siemens hatte angekündigt, die Kosten in Vertrieb und Verwaltung bis 2010 um 1,2 Milliarden Euro drücken zu wollen und klargemacht, dass dies auch Arbeitsplätze kosten werde. Bisher ließ das Unternehmen aber offen, wieviele Arbeitsplätze und welche Standorte genau von den Einschnitten betroffen sein werden. In Branchenkreisen wurde zuletzt davon ausgegangen, dass Details Anfang Juli bekanntgegeben werden. Bei dem Stellenabbau wolle man möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen, hieß es am Donnerstag in Konzernkreisen. «Betriebsbedingte Kündigungen sind sehr unwahrscheinlich.»
Den Arbeitnehmervertretern liegen nach Angaben der IG Metall weiter keine konkreten Zahlen zu den geplanten Einschnitten vor. «Selbst der innerste Zirkel des Gesamtbetriebsrates kennt keine Zahl», sagte ein Gewerkschaftssprecher am Donnerstag in München. Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer kritisierte die Jobabbau- Pläne und forderte eine sozialverträgliche Umsetzung. Es dürfte nicht sein, dass die Beschäftigten die Folgen des Korruptionsskandals ausbaden müssten, sagte Neugebauer dem «Handelsblatt». Einem innovativen Konzern wie Siemens müsse mehr einfallen als ein bloßer Stellenabbau.
In dem Korruptionsskandal will der Konzern unterdessen laut «SZ» in den kommenden Monaten eine Einigung mit der mächtigen US- Börsenaufsicht SEC erzielen. Von ihr droht Siemens möglicherweise eine Milliardenstrafe. Siemens-Rechtsvorstand Peter Solmssen sei «darauf angesetzt worden, mit der SEC möglichst noch bis zum Herbst zu einem Ergebnis zu kommen und durchzumarschieren», berichtete die Zeitung unter Berufung auf Unternehmenskreise. Nur so könne der Konzern verhindern, in den Präsidentschaftswahlkampf hineingezogen zu werden. Siemens wollte sich dazu nicht äußern.
Von Ex-Vorstand Uriel Sharef, gegen den die Staatsanwaltschaft in der Korruptions-Affäre ermittelt, will sich Siemens endgültig trennen. Der noch bestehende Beratervertrag sei gekündigt worden, hieß es unter Berufung auf Konzernkreise in der «SZ». Der Vertrag laufe unter Einhaltung der dreimonatigen Kündigungsfrist am 30. September aus. Auch dazu wollte ein Siemens-Sprecher keine Stellungnahme abgeben. Sharef war bis Ende vergangenen Jahres im Vorstand für die Region Amerika und das Energiegeschäft zuständig.
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Siemens-Chef bedauert Kommunikationspanne
Zu früh bekannt gegeben und zu wenig Details genannt – Peter Löscher hat beim angekündigten Stellenabbau Fehler eingeräumt.
Siemens-Chef Peter LöscherLöscher sagte, es „war aus heutiger Sicht sicher falsch“, dass er schon im November angekündigt habe, bei Verwaltung und Vertrieb 1,2 Milliarden Euro pro Jahr einzusparen, obwohl er wusste, monatelang die Details schuldig bleiben zu müssen. Aktuell gehen Insider von weltweit 17 200 weniger Stellen aus, davon 6400 in Deutschland.
Schreiben an die Belegschaft ZUM THEMA
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Konzern-Insider beklagen, dass Löscher sogar sein Führungspersonal vor den Kopf stoße. Durch Aussagen, dass Siemens-Manager zu weiß, zu deutsch und zu männlich seien, hätten viele das Gefühl, er falle ihnen in den Rücken. Fraglich ist daher, wie die Manager den Plan ihres Chefs aufnehmen, dass sie künftig einen Teil ihrer Bezüge in Form von Siemens-Aktien erhalten sollen. Diese sollen sie erst verkaufen dürfen, wenn sie das Unternehmen verlassen. Löscher sagte FOCUS, dies solle das Augenmerk stärker auf den langfristigen Konzernerfolg lenken.
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Siemens trennt sich von 6800 Mitarbeitern
Der Siemens-Konzern hat drastische personelle Einschnitte bei seiner kriselnden Kommunikationssparte verkündet. Am stärksten trifft es deutsche Mitarbeiter.
Siemens streicht StellenDer Siemens-Konzern hat den Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen bei seiner zum Verkauf stehenden Kommunikationssparte SEN bestätigt. Allein in Deutschland würden bis zu 2000 Stellen gestrichen, weltweit seien es 3800, teilte die Siemens AG am Dienstag in München mit. Von weiteren 3000 Beschäftigten will sich Siemens durch Verkäufe und Partnerschaften trennen.
München arg gebeutelt
Betroffen ist vor allem die Zentrale in München mit derzeit rund 1700 Beschäftigten. Zudem wolle SEN künftig auf eine eigene Fertigung verzichten, teilte der Konzern mit. Daher solle das SEN-Werk in Leipzig mit derzeit rund 530 eigenen Mitarbeitern verkauft oder „in Lösungen mit Dritten eingebracht werden“. Gleiches gelte für die Fertigungsstätten in Thessaloniki (Griechenland) und Curitiba (Brasilien). „Im Einzelfall kann eine Schließung nicht ausgeschlossen werden.“ sms/dpa